Mit aller Gewalt bringt Microsoft Windows 10 unter die Leute. Die Strategie mit dem kostenlosen Upgrade innerhalb eines Jahres scheint aufzugehen, die Verbreitung der offiziellen, letzten Windows-Version steigt rasant an. Das System unterliegt ständiger Entwicklung, genau wie der Nachfolger des Internet Explorers – der Browser Edge. Zum Testen habe ich Edge mal zwei Wochen intensiv genutzt.
Wer das Update, ca. zwei Jahre später, lesen möchte – scrolle bis ans Ende des Artikels.
Seit Windows 95 ist der Internet Explorer Bestandteil des Beitriebssystems. Darum gab es viel Ärger, Microsoft musste sogar aktiv einen Auswahldialog für alternative Browser einblenden. In der aktiven Lebensdauer von Windows XP stagnierte die Entwicklung des Internet Explorers. Version 6 war lange die einzig aktuelle und ist es heute in vielen Unternehmen leider immer noch.
Microsoft hat in den letzten 15 Jahren so manchen Trend regelrecht verschnarcht und sich auf den hohen Marktanteilen ausgeruht. Diese schwanden aber im Browsermarkt langsam aber stetig. Erster Rivale war der Firefox, danach Googles Browser Chrome.
Wie ein feuchter Grillanzünder – Neuanfang mit Edge
Mit dem Edge will Microsoft wieder im Browsermarkt Fuß fassen, was durch nette Funktionen auch durchaus gelingen könnte. Allerdings hätte zur Veröffentlichung einiges mehr drin sein müssen, denn dem arbeitenden Anwender gehen doch einige Dinge ab, die mittlerweile einfach Standard und nützlich sind.
Die Menüführung des Browsers orientiert sich am heutigen Standard. Auch im Edge gibt es keine klassische Menüleiste mehr (Datei, Bearbeiten…), alles versteckt sich in einem Aufklappmenü. Die Optik ist sehr gefällig, die Schrift durch ihre Größe gut lesbar.
Favoriten importieren und Verwalten
Wer von einem zum anderen Browser wechselt, möchte gerne seine Lesezeichen mitnehmen. Im Edge geht der Import auch, allerdings nur von Google Chrome. Die Lesezeichen von Firefox lassen sich, zumindest nicht automatisch, nicht importieren.
Der Import von Chrome funktioniert, allerdings entsteht ein ziemliches Durcheinander. Die Lesezeichen werden nicht wirklich in der korrekten Reihenfolge importiert. Ok, eigentlich kein Problem, schließlich lässt sich ja alles wieder an Ort und Stelle schieben.
Das funktioniert leider nicht direkt in der Lesezeichenleiste, sondern nur im Favoritenmenü. Das ist leider ein wenig umständlich gehalten. Lesezeichen aus Ordnern lassen sich auch nicht einfach in einen anderen Ordner verschieben. Also muss man zunächst den gewünschten Favoriten in die nächste, höhere Verzeichnisebene schieben, um ihn dann wieder anzufassen und in den gewünschten Ordner zu bugsieren.
Eine praktische Funktion von modernen Browsern ist das Anheften von Tabs. Die Karteireiter oben werden schmaler und nur noch das Favicon wird dargestellt. Dadurch spart man sich immer das mühsame Aufrufen von Webseiten die eh ständig geöffnet sind. Auch hier muss Edge leider (noch) passen.
Update 30.09.: Die Synchronisierung scheint demnächst zu kommen: Link.
Synchronisation auf verschiedenen Browsern
Es ist praktisch, wenn sich der Browser auf verschiedenen Rechner selbst synchronisiert. Firefox kann das, Chrome kann das, nur der Edge kann das leider (auch noch) nicht.
Wird der Browser also auf verschiedenen Systemen genutzt, sind aktuell angelegte Favoriten nicht auf allen zugleich verfügbar. Sehr schade, zumal es Microsoft ja auch schafft, Einstellungen zwischen Windows 10 und Windows 8 zu synchronisieren.
Features und Geschwindigkeit
Die eben genannten sind für mich die größten Kritikpunkte. Dafür bietet Edge aber auch nützliche Fetures. So können Notizen auf Webseiten per Stift oder Maus gemacht werden. Diese Anmerkungen lassen sich speichern oder an OneNote senden.
Schön ist auch die Leseliste. Findet man einen interessanten Blogbeitrag, Artikel oder sonstwas, lässt sich dieser in der Leseliste ablegen (Im Prinzip wie ein Lesezeichen) und später entspannt in einer nett formatierten Textansicht lesen. Störende Elemente wie Menüs, Werbung etc. werden dabei weitgehend ausgeblendet. Optisch erinnert das eine Seite in einem Printmagazin.
Es kann durchaus gewollt sein, dass Edge beim Starten einen absoluten Blitzstart hinlegt, während Firefox und Chrome unter Windows 10 wesentlich länger zum Erscheinen benötigen. Die Geschwindigkeit bleibt aber nicht nur beim Start so. Insgesamt flutscht das Surfen gut von der Hand, merkliche Aussetzer oder kleine Denkpausen beim Laden von Elementen auf Webseiten kommen nicht vor.
Fazit
Es wäre schon mal zu hinterfragen, warum Microsoft seinen neuen Browser relativ unfertig veröffentlicht hat. Die Chance, so Nutzer zurück zu gewinnen, wenn heute selbstverständliche Funktionen erst später nachgereicht werden, wird wohl viele Nutzer nicht überzeugen, dauerhaft auf einen neuen Browser zu setzen.
So bleiben auch bei mir erstmal Firefox und Chrome so in Gebrauch wie bisher.
Liefert Microsoft wenigstens ein paar der Funktionen nach (mit dem Kuddelmuddel in den Favoriten habe ich mich mittlerweile arrangiert), könnte ich durchaus in Versuchung kommen, Chrome in ein Nischendasein zu verbannen.
Update
Ca. zwei Jahre später habe ich wiederholt versucht, Edge zu meinem Hauptbrowser zu machen. Ich bin wirklich komplett von dem Browser überzeugt, aber noch immer ist es mir nicht gelungen meine Lesezeichen einfach so, komplikationslos, total easy, per Mausklick quasi, 1:1 von Firefox in Edge zu importieren.
Sorry Microsoft, aber wenn das einfach nicht klappt und ich hunderte Bookmarks von Hand sortieren muss, ist das einfach ein Scherz. Dann warte ich eben guter Dinge auf das Spring Creators Update im Frühjahr 2018. Sitzt da eigentlich nur eine Person an dem Projekt, oder wie?
Update 2: Schwenk auf Chromium und 50 Google-Dienste entfernt
Es ist 2019 und die erste neue Version von Edge steht zum Runterladen bereit. Da der Marktanteil von Edge in den letzten Jahren auf 5% gesunken ist, wurde bei Microsoft Tabula Rasa gemacht.
Und zwar in Sachen Engine. Es arbeitet nun nicht mehr die eigene Webengine im Edge, sondern Chromium.
Der Name erinnert fatal an das Spionagetool von Google mit dem man auch surfen kann, ist aber nur der Name der Engine selbst. Darauf bauen, außer Firefox, mittlerweile alle Browser auf. Außer Firefox und Safari.
Laut heise.de hat Microsoft vor der Verwendung aus Chromium erstmal 50 (!) Google-Dienste entfernt oder deaktiviert.
Import der Einstellungen
Einen für mich großen Kritikpunkt hat Microsoft endlich hinbekommen. Der Import aller Lesezeichen und sonstiger Einstellungen funktioniert nun auch endlich aus Firefox problemlos. Alle Lesezeichen sind an der exakt identischen Stelle und auch die gespeicherten Passwörter funktionieren.
Auf den ersten Metern überzeugt auch die Geschwindigkeit des neuen Edge, wobei man trotz aller Werte von irgendwelchen Browser-Benchmarks besonders bei vielen Skripten auch abhängig von der eigenen CPU und der gerade vorhandenen Leitung ist.
Das Chromium unter der Haube steckt ist dann beim Aufruf der Entwicklertools sichtbar. Diese sind zum bekannten Chrome 1:1 identisch.
Wie sich der neue Edge im täglichen Einsatz schlägt, muss sich noch erweisen. Aber die erste Version, die hier heruntergeladen werden kann, läuft bisher ziemlich stabil.
Microsoft ist mit Sicherheit kein Waisenknabe was den Datenschutz angeht, verdienen aber ihr Geld immer noch mit Softwareleistungen und nicht wie Google damit, möglichst viel Werbung zu verkaufen. Wenn sie mit dem Edge jetzt ausnahmsweise mal alles richtig machen und „Surfen ohne Google“ ermöglichen und das auch entsprechend verkaufen, könnte das die Marktanteile vielleicht mal etwas heben.